Sonntag, 8. Juni 2008

Das Tor

Jeden Morgen stehe ich davor , den Schritt zu gehen. Nachdem ich die Bedeutung einiger alten Symbole erahnt und die Schriftzeichen in eine sinnvolle Reihenfolge bringen konnte und plötzlich, wie aus einer anderen Welt, lebendiges Wasser vor mir stand. Leicht gekräuselt, wie von sanftem Wind bewegt, stand es aufrecht vor mir. Fasziniert und ungläubig und in dem vollen Bewußtsein, dass da vorher nichts war, dass dahinter eine Mauer sein muss, die dem Ganzen Halt gibt, wie bei den neumodernen Wasserfällen in Sparkassen und Einkaufszentren. Ich würde mit dem Kopf gegen die Wand meines Intellektuallismus laufen, sagten alle meine Erfahrungsparameter. Unter Umständen ein tödliches Experiment.
Von Furcht und Zweifel gehalten und dabei magisch angezogen bewege ich mich auf dieses Tor zu. Was , wenn die alten Mythen wirklich stimmen, was, wenn die Schrift nicht Märchen sondern Realität ist? Was steckt dahinter?
Sicher ist nur, dass dieser Schritt mich verändern wird. Ich werde nicht mehr sein wie ich bin. Ich werde meiner Umwelt fremd, weil ich anderes gesehen habe.

Jeden Morgen stehe ich davor, den Schritt zu gehen. Mein Gesicht berührt dieses lebendige Wasser und ich weiß, es gibt kein zurück. Selbst, wenn ich zögere, mich wieder zurück nehme, ich kann es nicht mehr lassen. Dieses Wasser auf meiner Haut, dieses leichte kräuseln des unirdischen Windes. Ich muss es haben, dieses Gefühl, immer wieder.
Jedesmal gehe ich diesen Schritt, erfüllt von einer Furcht, die man Ehrfurcht nennt, nicht geschoben oder gedrängt sondern aufrechten Gangs. Längst weiß ich, dass es keine Mauer ist, was mich dahinter erwartet, dass ich nicht weggerissen werde aus dem Land der Lebendigen, dass kein bodenloser Abgrund mich verschlingt, das ich nicht mal mein bisschen Verstand verliere. Obwohl ich das längst weiß, ist es jedes Mal ein Schritt, der meine Entscheidung fordert.
Und dann reißt es mich wirklich, vorbei an den Mächtigen und Gewaltigen, die unter dem Himmel wohnen, ungeachtet tobender Kämpfe und kosmischer Gefahr, über die Grenzen aller bekannten, unbekannten und ungeahnten Galaxien hinaus direkt in den Thronsaal hinein.
Hinein in jenes Licht, das Sterbende erahnen, hinein in jene Herrlichkeit, die Glaubende erhoffen, hinein in Deine Arme, mein Gott und mein Herr, mein Vater. Du hältst mich und ich halte mich an dir fest. Du sagst mir, dass du dich freust, mich zu sehen, dass du auf mich gewartet hast. Ich hätte es auch ohne den Wort gewusst. Hier weiß ich einfach ohne Worte ohne Fragen. Und doch fragst du. Du hast Interesse an mir, an meinem Leben da in der anderen Welt aus der ich komme. Natürlich kennst du meine Welt. Du bist ja den umgekehrten Weg gegangen um das Tor wieder zu öffnen. Und doch fragst du und ich erzähle dir alles. Worüber ich mich freue, meine Erfolge und meine Niederlagen, selbst das, wofür ich mich schäme, das von dem ich weiß, dass es dich verletzt hat und natürlich das, was mich verletzt hat. Und ich erzähle von den Menschen, die mir begegnen und von ihren Geschichten und Nöten. Von der Freundin, die Angst hat vor ihrer Augenoperation, von dem Freund, der seine Kinder nicht mehr sehen darf, von dem Spaß, den ich mit den anderen miteinander gestern Abend beim Wein hatte und von dem Film, den es gestern im Fernsehen gab. Ich erzähle, was ich vor habe und wer heute Geburtstag hat. Und du hörst mir zu, wir lachen und weinen miteinander und ich frage, was ich für meine Freunde tun kann. Ich bitte dich um alles was ich brauche, was mir fehlt für mich und für meine Freunde. Du teilst Deine Sicht der Dinge mit mir und gibst mir, worum ich Dich gebeten habe und meist noch etwas mehr, für alle Fälle, wie du sagst.
Und dann gehe ich zurück. Sie warten auf mich in meiner Welt. Du umarmst mich lange und eigentlich möchte ich hier bleiben. Der Tag kommt, ich weiß, aber noch nicht heute, noch nicht jetzt.
In meiner Welt ist kaum Zeit vergangen. Die Dusche wartet auf mich und das Frühstück und meine Freunde. Wie gerne würde ich sie mitnehmen, wie gerne würde ich ihnen von dem Tor erzählen. Sie hören zu, sie staunen und lächeln oder sie werden ärgerlich. Manchmal nehmen sie von dem, was ich mitgebracht habe, manchmal nicht. Manchmal gehen sie mir aus dem Weg und manchmal geben sie mir ein Päckchen, das ihnen zu schwer wird, damit ich es mitnehme an den Ort, von dem sie überzeugt sind, dass er nicht existiert.
Und ich habe Sehnsucht danach, dass sie zwischen ihren zerbrochen Träumen die alten Symbolen zu deuten lernen, die Schrift an der Wand zu lesen verstehen und sich von dem lebendigen Wasser verlocken lassen. Oder, dass ich sie einfach an die Hand nehmen darf.
Jeden Morgen stehe ich erneut davor, diesen Schritt zu gehen. Aber es liegt nicht an der Tageszeit. Das Tor steht immer offen.

Samstag, 3. Mai 2008

Manchmal hab ich's im Kopf

Ich hab’s im Kopf. Hunderte von Liedern aller Art. Am liebsten wache ich mit einem Lobpreislied im Kopf auf. Dann fühle ich mich geborgen und fröhlich.
Heute morgen war es wieder mal ganz anders. Das erste Lied des Tages: „O Bochum , du Perle Westfalens, o Bremen (oder Hamburg, oder München, oder Dresden, gegen wen der Vfl gerade spielt) du hässliches Nest...“ Ein furchtbares Lied, kenn es seit Jahre, habe es aber nie gesungen. Was soll das jetzt? Versuch ich mal ein Loblied „Jesus, du bist König“. Eigentlich möchte ich mir morgens gute Gedanken machen, Gedanken, die mich aufbauen, fröhlich stimmen... und die Gott die Ehre geben, natürlich... „You’re the one that I want, Hu hu hu hu, the one that want.“ Oh nein, nicht das . Nicht „die Wanne ist voll“, ich werde heute nur duschen und will ein vernünftiges Lied im Kopf haben statt der Ohrwürmer, die sich durch durch meine Gehirnwindungen schlängeln. Neuer Versuch: „Groß ist unser Gott, Herr der Ewigkeit“. Gleich geht der Wecker. Welch eine CD wohl drin ist? Country, glaube ich: „Ruby, don’t take your love to town.“ Das darf ja wohl nicht wahr sein! Nicht mal drei Minuten kann ich mich konzentrieren und das am frühen Morgen.
Herr, ich möchte mich nicht ablenken lassen, möchte Dich loben, den Tag vorbereiten, was willst du mir heute sagen?
Wie hieß noch der Typ von dem ich das Bochum-Lied kenne? Hat mir nicht jemand erzählt, dass er vor kurzem einen Herzinfarkt hatte? Richtig. Vielleicht ist es an der Zeit, mal für ihn zu beten?
„You’re the one that I want.“ Ist es das, was mir Gott heute zu sagen hat? Mich möchte er? Ich bin Ihm wichtig? Das lass ich mir gerne sage, das macht mich ganz heiter und gelassen.
Ich brauch‘ nicht losziehen und nach irgend was suchen, ich hab‘ schon, was ich brauche: Ich muss weder meine Liebe zum Markt tragen noch muss ich Gott beweisen, dass ich ihm die Ehre gebe.
Er kennt mich, er liebt mich und er spricht zu mir, nicht nur in frommen Liedern. Manchmal eben auch mit dem Fundus, den ich im Kopf habe.

Donnerstag, 1. Mai 2008

Von Rosen und Orchideen

Die Orchideen sind nun fast verblüht. Seit immerhin fast einem Monat zieren sie das Wohnzimmer. Ein Freund hatte sie mitgebracht aus dem fernen Singapur, wo er lebt und arbeitet. Eine betörende Pracht, die viel mehr auslöst als Bewunderung. Eine Tiefe Freude ob der Schönheit dieser Gewächse und ob der Liebe, die sie symbolisieren sollten.
Und dann war da noch die Rose. Eine einzelne langstielige Rose in gelb mit schmalen orangenen Rändern an den Blütenblättern. Viele ihrer Art waren verteilt worden an die Ehefrauen derer, die ein Jubiläum feiern durften. Ein Zeichen der Wertschätzung.
Gemeinsam mit den Orchideen überstand sie die Fahrt, nur weinige Kilometer. Allerdings erwiesen sich die zarten Orchideen, die schon etliche Flugstunden hinter sich gebracht hatten, als robuster. Jedenfalls erschien das so auf den ersten Blick.
Bereits als die Rose nach frischem Anschnitt in die Vase gestellt wurde, ließ sie die Blätter hängen. Das Grün erholte sich auch nicht mehr und so fielen die Blätter bald ab. In Anbetracht der Schönheit der Blüte, die sich trotzend hielt, blieb die Rose an ihrem Ort und wurde nicht entfernt.
Als dann die Blüte langsam anfing einzutrocknen wurde etwas erstaunliches offenbar: An den Stellen, an denen die Blattstiele gesessen hatten, trieb das Holz erneut aus. Kleine lichtgrüne Blättchen zeigten sich. So stand die Rose weiter da, obwohl ihre Blüte nun langsam aber sicher vertrocknete.
Inzwischen sind aus den zarten Trieben kräftige junge Zweiglein geworden. Vermutlich haben sich im Untergrund Wurzeln gebildet. Sollte das so sein, dann bekommt die Rose einen Ehrenplatz auf unserem Balkon. Als Gleichnis sozusagen:
Manches geht im Laufe der Zeit verloren. Vielleicht aus Unachtsamkeit, vielleicht aus Stress, meistens weiß man nicht genau warum. Aber darunter ist etwas neues entstanden, etwas kräftiges, lebensbejahendes. Wenn wir es erkennen, werden wir es nicht mehr vermissen wollen.
Dei Orchideen sind fast verblüht. Wie es mit der Rose weiter geht, werden wir sehen.

Mittwoch, 13. Februar 2008

Das Christival und die Grünen

Liebe Leute,

manche von Euch wissen es: Benni versucht grün zu werden. Jetzt haben die Parteifreunde eine Kleine Anfrage im Bundestag eingebracht, die mit falschen Behauptungen und polemisch gegen das Christival auftritt. Dazu musste ich mich äußern und habe das auch an gegebener Stelle getan.
Na und damit Ihr auch etwas davon habt, packe ich es Euch einfach in den Bolg.

Da ich über die Veranstaltung „Christival 08“. informiert bin und auch über die Presse die Kommentare kenne, die diesem Antrag zu Grunde liegen, halte ich es für angebracht, die aktuellen Fakten darzustellen.

- Christival ist ein Festival für Christen, das seit 1976 in unregelmäßigen Abständen und an unterschiedlichen Orten durchgeführt wird.
- Neben Gottesdiensten, Diskussionen, Konzerten usw. werden Workshops durchgeführt (vergleichbar dem Kirchentag)
- Das Christival 08 bietet ca. 250 Workshops an, (vom „Kochen für Freizeiten“ über „leidenschaftlich predigen“ oder „Warum heiraten, wenn leasen so einfach ist“ bis zu „Christen in China“ und „Zivilcourage“
- Ein geplanter Workshop mit angeblich „antihomosexuellem“ Inhalt findet nicht statt. Der als solcher empfunde wurde nach Protesten entsprechender Gruppen ersatzlos gestrichen, da die Veranstalter (auch die dieses geplanten Einzelworkshops) weder provozieren noch verletzen wollen.
- Das zitierte Zitat eines Gedichtes stellt wohl eher den Gemütszustand eines Menschen dar, der mit seinen homoerotischen Neigungen Probleme hat. Jedenfalls ist es nicht, wie in dem Schreiben quasi unterstellt, ein „Therapie“Konzept.
Das Schreiben wendet sich also gegen einen Workshop, der gar nicht stattfindet.

Wogegen wendet sich also der Protest?
- Allein gegen den Umstand, dass solch ein Workshop geplant war? Das kann doch nicht im Sinne von Meinungsfreiheit sein.
- Gegen die Auffassung, dass eine sexuelle Umorientierung möglich sein könnte? Das wendet sich meines Erachtens genau gegen die sexuelle Selbstbestimmung, für die gerade die Schwulen- und Lesbenbewegung eintritt. Sexualität ist Privatsache. Das bedeutet, dass Präferenzen keine Diskriminierung zur Folge haben dürfen. Allerdings bedeutet das auch, dass jeder für sich die Entscheidungsfreiheit haben muss, homosexuell oder heterosexuell oder sogar zölibatär zu leben. Dass jede dieser Lebensweisen Vor- und Nachteile, aber auch Probleme mit der Gesellschaft oder mit sich selbst zur Folge haben kann, ist ein Allgemeinplatz. Der umstrittene Workshop wandte sich an Menschen, die sich ihrer homosexuellen Neigung bewusst sind, die aber, aus was für persönlichen Gründen auch immer, diese Neigung nicht ausleben wollen. Was ist daran verwerflich?
- Gegen die Thematisierung der Homosexualität in kritischer Weise? Eine differenzierte Diskussion halte ich im Sinne der Meinungsfreiheit für dringend erforderlich. Gerade auch der Umgang mit islamisch geprägten Mitbürgern kann diesem Thema auf Dauer noch brennende Aktualität verleihen, da die Ablehnung von homosexuellen Praktiken auch im Koran eindeutig ist (in der Auslegung meines Wissens erheblich unumstrittener als in christlicher Theologie).

Die Kampagne gegen „Christival“, wie sie gerade geführt wird, liegt für mich unter „Koch-Niveau“. Ich erlebe sie als populistische Aktion auf Kosten einer Minderheit.
Was den Anspruch einer „Wissenschaftlichkeit“ angeht, gibt es und gab es immer schon verschiedene Ansätze. Gerade das bringt ja den Fortschritt, sonst wären wir alle schon von der Scheibe heruntergefallen. Selbst Irrwege bringen weiter. Was noch zu keiner Zeit weiter gebracht hat, ist die quasi inquisitorische Ablehnung abweichender Meinungen. (nicht nur im Bereich der Sexualethik, erwähnt sei die Frage nach der friedlichen Nutzung der Kernkraft)

Was den Begriff „fundamentalistisch“ angeht, der ja in unserem Sprachgebrauch inzwischen ausschließlich militant verstanden wird, ist dieser für die Veranstaltung „Christival“ unangemessen. Sollte er möglicherweise aus mangelndem Sprachgefühl „neutral“ gemeint sein, stellt sich mir die Frage, ob es in diesem Sinne eigentlich schon die Umschreibung „fundamentalistische Homosexuelle“ gibt.

Ich protestiere gegen dieses Schreiben und diese Kampagne, weil ich für Meinungsfreiheit und sexuelle Selbstbestimmung bin. Bisher hatte ich den Eindruck, diese demokratischen Grundwerte seien gerade in der Partei der Grünen Konsens.

Mittwoch, 30. Januar 2008

Schmutzige Wäsche

Mit schmutziger Wäsche kenn' ich mich aus. Mit der meisten wird meine Miele (Nur Miele, Miele, rief die Tante, die alle Waschmaschinen kannte...ENDE der Werbung) ganz gut fertig. Schwieriger ist es mit der quasi virtuellen schmutzigen Wäsche, die in allen Vereinen, Gruppen, Kreisen, Nachbarschaften gewaschen wird.Da könnte ich zwar ein böses Liedchen von singen, lass es aber, denn gerade diese schmutzige Wäsche wird, wenn sie hin und her gewaschen wird, nicht sauberer. Was mich betrifft habe ich mir vorgenommen, diese Wäsche so gut wie möglich zu ignorieren, was nicht heißt, dass ich damit den Verursachern einen Persilschein (ACHTUNG, keine Werbung) ausstelle, sondern nur, dass ich mich einfach weigere mitzuspielen.

Merke: Wer sich beim Waschen schmutziger Wäsche nicht beteiligt
sollte sie sich auch nicht anziehen.